Kalter Weisser Mann (UA)
Uraufführung des aktuellen Stücks der Erfolgsautoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob
©Video: Siegersbusch
Der Tod ist nie schön. Aber es könnte schlimmer kommen, als mit 94 Jahren friedlich einzuschlafen: Zum Beispiel eine Trauerfeier, die völlig aus dem Ruder gerät.
Gernot Steinfels, Patriarch einer Firma des alten deutschen Mittelstands, ist verstorben, und sein designierter Nachfolger (60) richtet für das Unternehmen die Beisetzung aus. Doch sein Text auf der Schleife sorgt für heftige Irritation: „In tiefer Trauer. Deine Mitarbeiter“.
Schnell hat der neue „alte weiße Mann“ an der Spitze nicht nur seine Marketing-Leiterin, den Social-Media-Chef und seine Sekretärin gegen sich, sondern auch die sehr selbstbewusste Praktikantin. Vor dem Theaterpublikum als versammelter Trauergemeinde zerfleischt sich in diesem hochpointierten Stück schließlich die Führungsetage der Firma immer mehr. Und nicht einmal der verzweifelte Pfarrer kann die Wogen glätten.
Die wendungsreiche Komödie von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob (u.a. EXTRAWURST) zeichnet mit scharfem Blick und lustvoller Hingabe die Abgründe, Fallstricke und rhetorischen Kniffe der aktuellen Diskussion über soziale Umgangsnormen, ihre menschlich-allzumenschlichen Ursachen, weckt aber auch die Sehnsucht nach einem aufmerksamen und respektvollen Umgang miteinander.
Dauer: 110 Minuten (inkl. Pause)
PRESSESTIMME
Guntbert Warns inszeniert diese kurzweilige Sternchen-Farce mit einem hervorragend auf schnelle Wortwechsel und Sinn fürs Absurde eingespielten Ensemble – und folgt sehr vergnüglich der Eskalationslogik des Stücks. Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob sind zwar manchmal zu sehr bemüht, wirklich jeden Debattenaspekt mit zu verwitzeln. Aber immerhin sehen sie zu, dass dabei keine Seite argumentativ bevorteilt wird. Fast beiläufig fällt die zentrale Frage, aus dem Munde von Sekretärin Schneider: „Wieso sind hier eigentlich alle so sicher, dass sie recht haben?“. Patrick Wildermann, Der Tagesspiegel, 30. April 2024
Großartig, wie das ruhmreiche Autoren-Duo („Extrawurst“, 2020 im Renaissance Theater, „Mord mit Aussicht“ im TV) all die Aufreger im Diskurs-Topf hochkocht: LGBTQIA, Rassismus, kulturelle Aneignung, Sexismus, Body-Shaming, Me-Too, Machtmissbrauch… und obendrein das lautlose Schreien der Sirenen im Netz, die alles digital verstärken und aus seinem Kontext reißen. (…) alles fügt sich auch durch die Regie von Guntbert Warns zu einer saftigen Menschenkomödie mit schönster Schauspielkunst. Am Ende gibt es keinen Sieger im Clinch. Dafür das vom Herrn Pastor gesegnete, ironisch getönte Finale mit aufblühender Einsichtigkeit auf beiden Seiten. Das berühmt-berüchtigte Sternchen als Anstoß für jeden und jede, sich kritisch zu befragen. Jenseits von blindem Eifer, beleidigender Rechthaberei, schmerzlicher Ausgrenzung. – Jubel! Reinhard Wengierek, Berliner Morgenpost, 27. April 2024
Vertreter der Boomer-Generation knallen mit jüngeren Menschen, auch bezeichnet als Generation XYZ, mit all ihren Gefühlen, Zielen, Hoffnungen und Enttäuschungen aufeinander. (…) Der Vorhang zu und alle Fragen offen, dieses Brecht-Zitat stimmt am Ende auch hier gut so. Regine Bruckmann, RBB Inforadio, 24. April 2024
Der Abend hätte anstrengend werden können. Der Titel der neuen Komödie von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob „Kalter weißer Mann“ lässt ahnen, dass es um den erhobenen Zeigefinger der woken Community geht. So ist es denn auch. Und trotzdem bleibt der Abend äußerst amüsant, gerne bissig und am Ende auch ein wenig versöhnend. (…) Intendant Guntbert Warns inszeniert den Abend als einen großartigen Schlagabtausch, der am Ende für beide Positionen Sympathie und Verständnis weckt – ohne zu belehren. Claudia von Duehren, BZ, 28. April 2024
Spieldauer: ca. 110 Minuten (inkl. Pause)