HANS-JÜRGEN SCHATZ LIEST „TRISTAN“ VON THOMAS MANN
Die junge, zarte Frau eines ordinär derben, wohlhabenden Kaufmanns kommt, eines scheinbar geringfügigen Luftröhrenschadens wegen, den ihr die Geburt ihres fabelhaft gesunden kleinen Anton eintrug, in das erlesene Sanatorium „Einfried“. Sie Frau Klöterjahn, so heißt die schöne junge Mutter, befreundet sich dort mit einem Poeten namens Detlev Spinell. Während die übrigen Sanatoriumsgäste eine Schlittenfahrt unternehmen, bleiben die beiden allein und vertiefen sich in den Klavierauszug von Wagners „Tristan und Isolde“… Joachim Kaiser nennt Manns „Tristan“ ein Meisterstück ironischer, geistvoller, huldigender Prosa, in dem kein schwacher Augenblick vorkommt, keine Länge, keine Entgleisung. Ein großes Vergnügen für alle, die Freunde von Thomas Manns früher Prosa sind oder es werden wollen.
Pressestimmen:
„Hans-Jürgen Schatz, als Rezitator hochgeschätzt, trug die Erzählung einem angeregten und amüsierten Publikum vor. Es war sein ‚Mann-Debut’: und es gelang vortrefflich. Leicht macht es solch nuancierter Text einem Vor-Leser nicht. Hans-Jürgen Schatz weiß die gedrechselten Sätze von hölzerner Sperrigkeit fern zu halten. In ihrer Musikalität und Leitmotivik formt er und verflicht er sie, nicht mit Schwulst, sondern mit abwägender Kennerschaft. Um der Doppelbödigkeit ihrer Seelenschau, der ironischen Hinterfotzigkeit ihrer Delikatesse willen liebt er sie.
Den Klang und den Rhythmus jener unvergleichlichen Wort-Tonkunst zelebriert er mit dem Gestochenen und Stichelnden seiner Artikulation, mit einer leicht ins Überkorrekte vorangetriebenen Deutlichkeit. Die Vokale und Umlaute schätzt er als Ruheplätze und misst jedem Konsonanten seinen Grad an Explosivschub oder Schmeichelei zu. In Schatz’ Stimme mokiert sich Mann selbst über die Decadence, Süffisanz, Arroganz einer vermeintlich hochwohlgeborenen „Zauberberg“-Gemeinschaft, die ihre Torheit, ihren Stumpfsinn mit anzüglichem Näseln kaschiert.
Durch genaue Valeurs, am Ende fast volkstümliche Unverblümtheit hält er die Figuren auseinander, weist dem wunderlichen Dichter, der sich jugendstilig eine Welt zusammenspintisiert, und der mädchenhaft-naiven, zugleich magischen Klavier-Zauberin je eigene, freilich sich überlappende Räume zu, öffnet Manns emphatischer Hymne auf die „Tristan“-Musik die Schleusen – und verrammelt sie wieder beim handfesten Finale, der kläffenden Abrechnung Herrn Klöterjahns in all seinem robusten Biedersinn.
Hundert Minuten, keine zähe Sekunde – der Sprechkünstler Schatz weiß für den Wortkünstler Mann zu werben.”
Michael Thumser, FRANKENPOST, 15.08.2005 (Bayreuth / Wahnfried)
„Wenn Schatz den Text liest, bekommt man einen prägnanten Eindruck des satirischen Talents jenes Autors, der wie kein zweiter deutscher Schriftsteller wagnersche Themen und Strukturen in sein Werk aufnahm. Die burleske Geschichte des impotenten Schriftstellers Detlev Spinell und der lungenkranken Gabriele Klöterjahn, die sich im anderen Zauberberg abspielt, sie wird von Schatz als „humoristischer Vorgang“ sprachmächtig illustriert.
Wir hören das alles: das „e“, das im Mund des Décadents Spinell zu einem anämischen „ä“ gerinnt, das basslastige, gutmütige Röhren des Kaufmanns Klöterjahn. Wird die Gattin ins liebenswürdige Licht der sopranistischen Geziertheit getaucht, so spricht der Erzähler den Schriftsteller, den „verwesten Säugling“ mild exaltiert. Schatz’ Stärke ist die stimmliche Personenzeichnung, er ersetzt geradezu ein kleines Theater.
Schatz demonstriert mit Verve, Durchhaltekraft und gestalterischem Pfiff, dass die Ironie, die für Mann angeblich eine andere Form der Menschenliebe war, von distanzierter Bosheit durchaus nicht frei war. „Thomas Mann lebt!“, so lautet ein aktueller Werbespruch – auch dank der Stimme, die die Stimme des Meisters so vollkommen, ja musikalisch nachgestalten kann.”
Frank Piontek, NORDBAYERISCHER KURIER, 15.08.2005 (Bayreuth / Wahnfried)
„100 Minuten am Stück las Schatz, ohne auch nur einmal den Faden zu verlieren. Besonders beeindruckend war seine Art, die verschiedenen Personen charakteristisch und stimmlich wiederzugeben. Dank dieser Wort-Ton-Kunst war keine Sekunde Langeweile zu spüren. Ein begeistertes Publikum dankte mit entsprechend langem Applaus.”
Neue Presse, 29.3.2007 (Kronach)
„Es ist nicht ganz einfach, seine Zuhörer bei einer Lesung von rund 95 Minuten zu fesseln. Doch dies gelang Hans-Jürgen Schatz mit Thomas Manns ‚Tristan’ vorzüglich. Er füllte den anspruchsvollen Text mit Leben und ließ die verschiedenen Gestalten lebendig werden.
Thomas Mann pflegt eine in allen Sprachschichten virtuos gestaltete Prosa, unzählige Adjektive und Adverbien bereichern seine Prosa und rufen gewollte Heiterkeit hervor. All die Feinheiten des Textes ließ Hans-Jürgen Schatz lebendig werden und variierte seine Stimme trefflich, um den jovialen Dr. Leander, den burschikosen Großkaufmann Kloeterjahn oder seine an der Luftröhre erkrankte ätherische Frau zu charakterisieren. Weiter auftretende Personen erfuhren die gleiche liebevolle Behandlung. Es war ein buntes Völkchen, das da das Sanatorium ‚Einfried’ bevölkerte; man wurde unwillkürlich an Manns ‚Zauberberg’ erinnert.
Minimale Kürzungen musste Schatz vornehmen, die vollkommen unmerklich waren. Mit einem nicht zur Standardliteratur gehörenden, aber sprachlich eindrucksvollen Kunstwerk konnte der Rezitator seine Zuhörer begeistern.”
Hans-Christoph Schröter, „Mindener Tageblatt“, 15.3.2012