Als ein „Spiel von Lüge und Wahrheit“ könnte man das neueste
Stück des jungen Pariser Autors Florian Zeller bezeichnen, denn für seinen
verheirateten Protagonisten Michel ist Wahrheit etwas sehr Zweifelhaftes. Er
bevorzugt die Lüge, denn "wenn die Leute von heute auf morgen aufhören
würden, sich zu belügen, gäbe es kein einziges Paar mehr auf Erden. Und in
gewisser Hinsicht wäre das das Ende der Zivilisation". So lautet sein
Credo und das nicht ganz ohne Grund, denn seit sechs Monaten hat er ein
Verhältnis mit Alice, der Ehefrau seines besten Freundes Paul.
Doch Frauen haben ein anderes Verhältnis zur Wahrheit. Das
ständige Versteckspielen, die immer neuen Lügen belasten das Gewissen von
Alice und sie will endlich reinen Tisch machen. Michel ist empört: "Du
belügst ihn nicht, Alice. Du sagst Paul nur nicht die Wahrheit. Es wäre
egoistisch, ihm die Wahrheit zu sagen, nur um dein Gewissen zu
erleichtern". Hat er sie damit überzeugt? Bei einem Treffen erzählt ihm
Paul von seinem Verdacht, dass Alice ihn betrügt. Hat sie also doch geplaudert?
Sie hat - und Michel ist empört, denn damit ist klar, dass er angelogen wurde,
von seinem besten Freund. Plötzlich sieht Michel, der notorische Lügner, sich
in der Rolle des Opfers - wird der Lügner von seinen eigenen Lügen eingeholt.
Er, der bis dahin fest davon überzeugt war, sein kompliziertes Liebesleben im
Griff zu haben, wird zum Spielball der Anderen, vor allem seiner betrogenen
Ehefrau Laurence. Und die Wahrheiten, die ihm jetzt um den Kopf fliegen,
entziehen dem charmanten betrogenen Betrüger vollends den Boden unter den Füßen. Eine hinreißende, höchst raffiniert geschriebene Komödie mit
geschliffenen, pointierten Dialogen. Immer wenn man glaubt, die Wahrheit zu
wissen, wird sie unvermittelt wieder auf den Kopf gestellt, so dass man bis zum
überraschenden Schluss in Atem gehalten wird.
Eine Produktion des St. Pauli Theaters, Hamburg, in Zusammenarbeit mit dem Renaissance-Theater Berlin
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