Matthias Zschokke, 1954 in Bern geboren, lebt seit 1980 als
Autor und Filmemacher in Berlin. Für seinen ersten Roman, „Max“, erhielt er
1981 den Robert-Walser-Preis. Weitere Romane: „Prinz Hans“ (1984), „ErSieEs“
(1986), „Piraten“ (1991), „Der dicke Dichter“ (1995) und „das lose Glück“
(1999). 1985 drehte er den Film „Edvige Schmitt“, für den er den Preis der
deutschen Filmkritik erhielt, 1986 „Der wilde Mann“ und 1995 „Erhöhte
Waldbrandgefahr“. 1983 wurde im Rahmen des Stückemarktes sein erstes
Theaterstück, „Elefanten können nicht in die Luft springen, weil sie zu dick
sind - oder sie wollen nicht“, im Berliner Theater zum Westlichen Stadthirschen
uraufgeführt (Regie: Kazubo Watanabe), in Berlin im Studiotheater bat gespielt
(Regie: Angelica Domröse). Das 1992 mit dem Gerhart-Hauptmann-Preis
ausgezeichnete Stück „Die Alphabeten“ wurde 1994 in Bern uraufgeführt und hatte
seine deutsche Erstaufführung im Deutschen Theater (Regie: Thomas Langhoff).
Beim Stückemarkt 1994 wurde „Der reiche Freund“ vorgestellt, die Uraufführung
fand 1995 in Hannover statt. Auf ihre deutschen Premieren warten die Stücke
„Die Exzentrischen“ (1997 beim Stückemarkt vorgestellt) und „Die Einladung“
(2000). Am Renaissance-Theater Berlin wurde 2002 „Die singende Kommissarin“ unter
der Regie von Kay Neumann uraufgeführt.
„Matthias Zschokke ist ein Autor, der immer quer liegt zu
den flotten Trends, der auf leisen Sohlen geht und dabei alle ausgetretenen
Pfade meidet, auf melancholisch-witzige Art die Trauerarbeit leistet, die die
Machtbewußten und Medienvermittlungsagenten durch Betriebsamkeit zu umgehen
bemüht sind. Er hat jetzt die Bühnenfigur einer singenden Kommissarin erfunden,
um sein Publikum nicht auf den Leim, aber auf gegen den Strich gebürstete
Denkwege zu locken, ähnlich wie Ellen, die aus der Dunkelheit auftauchende
Schwimmerin in seinem Roman „Das lose Glück“, die sich vornimmt, die Leute mit
Erzählungen zu unterhalten: ‚Wir sind viel zu verhetzt dazu, denken, alles, was
länger als drei Minuten dauert, sei eine Zumutung.’
Matthias Zschokke läßt sich und gönnt uns die nötige Zeit,
um unsere Lebensschieflagen in verständnisvolles Licht zu rücken. Und deshalb
liebt er Plapperexistenzen wie jene Kommissarin, die mit dem Aushalten des
Lebens beschäftigt ist und den richtigen Nerv für die Schwingungen des losen
Glücks zu treffen versucht.
In leichter Abwandlung eines Briefes von Martin Kessel über
den seiner Meinung nach auf den Bühnen zu selten gespielten und meistens in
lieblosen Aufführungen hingerichteten Dramatiker Frank Wedekind möchte ich mich
hier nicht darüber auslassen, wie Zschokke aufgeführt werden müßte, um heute
Wirkung zu erzielen: präzis, grotesk aufgrund persönlicher Selbstwiderlegung
und nicht aus Allotria, mit steinerner Mimik, die alles verschweigt und viel
mehr weiß und fühlt, als sie verrät, mit ausgeprägtem Sinn für die
Fragwürdigkeit alles Gesagten. Ich will das alles lieber nicht ausführen, weil
es nahezu hoffnungslos wäre angesichts der gegenwärtigen Situation. Aber eines
möchte ich doch nicht ungesagt lassen: Wer die Skalen der Leidenschaft nicht
beherrscht, die des Gefühls wie die des Bewußtseins, und wer nicht imstande
ist, die Leidenschaft bis auf den Nullpunkt hinabzudrücken, um sich selbst zu
konzentrieren, und sie gleichzeitig bis ins Exzentrische zu verfolgen, um sich
selbst zu verlachen, der sollte nicht Zschokke spielen und ihn auch nicht
inszenieren.“
(Klaus Völker im Heft zum 38. Theatertreffen Berlin, Mai 2001)
(Stand: Januar 2002) |