Yasmina Reza wurde als Tochter eines iranischen Ingenieurs
und einer ungarischen Geigerin 1959 in Paris geboren. Zunächst studierte sie
ein paar Semester Soziologie und Theaterwissenschaft, später wurde sie
Schauspielschülerin bei Jacques Lecoq und spielte einige Jahre bei wechselnden
Theater-Kompanien.
Nach „KUNST“, „Drei mal Leben“ und „Der Mann des Zufalls“ zeigt
das Renaissance-Theater nun ein frühes Werk – „Reise in den Winter“. Das frühe
Werk ist freilich bei dieser Autorin auch erst dreizehn Jahre alt. Es entstand
1989 und wurde 1990 in Orléans uraufgeführt. Anschließend wurde das Stück in
das Théâtre National de la Colline nach Paris übernommen und mit dem „Prix
Molière“ ausgezeichnet. Reza war damals Anfang dreißig.
In einem Gespräch mit der Autorin im Juli dieses Jahres
erfuhr Felix Prader, sie habe anläßlich einer Neuausgabe ihrer Stücke festgestellt,
wie nahe und wie fern ihr dieses Stück heute ist. „Alle ihre Themen, ihr
‚Grundmaterial’ waren schon da. Auch gewisse Figuren-Typen. Die Figur des Avner
kommt in Verwandlungen immer wieder vor in ihren Texten“, notierte der
Regisseur. „Die ‚Reise in den Winter’ ist vielleicht nicht so ‚ökonomisch’ wie
die Stücke, die sie weltberühmt machten. Aber ihre Fähigkeit, Menschen zu
beschreiben und die Unwägbarkeiten ihrer Beziehungen in Dialoge zu fassen, ist
genauso beeindruckend. Vielleicht ist das ‚Jugendlichere’, Persönlichere dieses
Stückes fast berührender oder, um ein altmodisches Wort zu gebrauchen,
seelenvoller.“
In ihrer Kindheit und Jugend verbrachte Yasmina Reza
regelmäßig die Sommerferien in den Schweizer Bergen. Dort zu wandern, ist noch
heute eines ihrer größten Vergnügen. Insofern hat „Reise in den Winter“ autobiographische
Züge. „Die Ortsnamen sind fiktiv, ein Amalgam der Orte ihrer Kindheit.“
(Prader)
Yasmina Reza stellte ihrem Stück als Motto eine chassidische
Geschichte voran: „Warum läufst du die ganze Zeit durch den Wald? - Ich suche
Gott, sagt der kleine Junge. - Aber ist Gott nicht überall? - Ja, Vater. - Und
ist er nicht überall derselbe? - Ja... aber ich bin nicht überall derselbe.“
Das Besondere von Rezas Dramen beschrieb die französische
Zeitung L’ Express einmal so: „Von Kindheit an muß sie diese seltene Gabe
besessen haben: die Kunst der Entzauberung, die wahre, die mit Leichtigkeit
verbundene Kunst. Ihre Theaterstücke treffen mitten ins Herz; sie treffen das
Wesentliche der Menschen, ihre Schwächen und Widersprüche, sie stellen
Nichtiges neben Wichtiges. Yasmina Reza, ein kleines, heiteres, hellwaches
Mädchen, mit dem Wissen eines alten Weisen, versucht das Leben zu erfassen -
elegant und wahrhaftig.“
(Stand: Oktober 2002) |